Fünf Lieder op. 25 (1973)

I Der schwere Traum

Volkslied (August Zarnack?)

Ich hab die Nacht geträumet
wohl einen schweren Traum,
es wuchs in meinem Garten
ein Rosmarienbaum.

Ein Kirchhof war der Garten,
das Blumenbeet ein Grab,
und von den schönen Bäumen
fiel Kron und Blüte ab.

Die Blüten tät ich sammeln
in einen goldnen Krug,
der fiel mir aus den Händen,
dass er in Stücke schlug.

Draus sah ich Perlen rinnen
und Tröpflein rosenrot:
Was mag der Traum bedeuten?
Ach, Liebster, bist du tot?

II Das verlassene Mägdlein

Eduard Mörike (1804 – 1875)

Früh, wann die Hähne krähn,
Eh die Sternlein verschwinden,
Muss ich am Herde stehn,
Muss Feuer zünden.

Schön ist der Flammen Schein,
Es springen die Funken;
Ich schaue so drein,
In Leid versunken.

Plötzlich, da kommt es mir,
Treuloser Knabe,
Dass ich die Nacht von dir
Geträumet habe.

Träne auf Träne dann
Stürzet hernieder;
So kommt der Tag heran –
O ging er wieder!

III Nachklang (Winterlied)

Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)

Mir träumt’, ich ruhte wieder
Vor meines Vaters Haus
Und schaute fröhlich nieder
Ins alte Thal hinaus.
Die Luft mit linden Spielen
Ging durch das Frühlingslaub,
Und Blütenflocken fielen
Mir über Brust und Haupt.

Als ich erwacht, da schimmert
Der Mond vom Waldesrand,
Im falben Scheine flimmert
Um mich ein fremdes Land,
Und wie ich ringsher sehe:
Die Flocken waren Eis,
Die Gegend war von Schnee,
Mein Haar vom Alter weiss.

IV Septembermorgen

Eduard Mörike

Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.

V Schönheit

Wilhelm Weigand (1862 – 1949)

Meine Seele sah ich träumend gehen.
Wie ein Mütterchen war sie zu sehn,
schlich sie, gramgebeugt, zum Gottessee,
drein vermündet aller Erde Weh.

Und sie tauchte in des Dunkels Hut,
in die grauenvolle, schwarze Flut,
und…sie stieg, ein strahlend junges Weib,
hell empor mit goldumschirmtem Leib,

schön von aller Erde Herrlichkeit,
schön von aller Erde… dunklem Leid.
Meine Seele sah ich träumend gehn:
schön wie eine Braut war sie zu sehn.