Vier Lieder nach Gedichten von Paul Celan (1962)
Ganzer Zyklus
I Schlaf und Speise
aus Mohn und Gedächtnis
Schlaf und Speise
Der Hauch der Nacht ist dein Laken, die Finsternis legt sich zu dir.
Sie rührt dir an Knöchel und Schläfe, sie weckt dich zu Leben und Schlaf,
sie spürt dich im Wort auf, im Wunsch, im Gedanken,
sie schläft bei jedem von ihnen, sie lockt dich hervor.
Sie kämmt dir das Salz aus den Wimpern und tischt es dir auf,
sie lauscht deinen Stunden den Sand ab und setzt ihn dir vor.
Und was sie als Rose war, Schatten und Wasser,
schenkt sie dir ein.
II Espenbaum
aus Mohn und Gedächtnis
Espenbaum
Espenbaum, dein Laub blickt weiss ins Dunkel.
Meiner Mutter Haar ward nimmer weiss.
Löwenzahn, so grün ist die Ukraine.
Meine blonde Mutter kam nicht heim.
Regenwolke, säumst du an den Brunnen?
Meine leise Mutter weint für alle.
Runder Stern, du schlingst die goldne Schleife.
Meiner Mutter Herz ward wund von Blei.
Eichne Tür, wer hob dich aus den Angeln?
Meine sanfte Mutter kann nicht kommen.
III Der uns die Stunden zählte
aus Von Schwelle zu Schwelle
Der uns die Stunden zählte
Der uns die Stunden zählte,
er zählt weiter.
Was mag er zählen, sag?
Er zählt und zählt.
Nicht kühler wirds,
nicht nächtiger,
nicht feuchter.
Nur was uns lauschen half:
es lauscht nun
für sich allein.
IV Leuchten
aus Von Schwelle zu Schwelle
Leuchten
Schweigenden Leibes
liegst du im Sand neben mir,
Übersternte.
. . . . . . . . . .
Brach sich ein Strahl
herüber zu mir?
Oder war es der Stab,
den man brach über uns,
der so leuchtet?